Session I - Alloy development and improved Properties

Angewandte Forschung für fortschrittliche Aluminiumwerkstoffe für neue Anwendungen

Unter allen Metallen ist Aluminium das Synonym für Leichtmetall schlechthin. In kaum einer anderen Branche ist der Stellenwert dieses Hochleistungswerkstoffs so groß, wie im Flugzeugbau. Die Luftfahrtbranche stellt die höchsten Sicherheitsanforderungen an die verbauten Leichtbauwerkstoffe und ein heutiges Großraumflugzeug ist der Nachweis für die intensive Forschung und Entwicklung an neuen Aluminiumlegierungen für neue Anwendungen. Eine wesentliche Rolle in der angewandten Forschung spielen dabei Werkzeuge zur Modellierung auf allen Prozessstufen, wie Philippe Meyer von Novelis in seiner Eröffnungsrede „Applied research for advanced aluminum materials for new applications“ ausführte.

„Modelle werden derzeit in jeder Phase des Entwicklungs- und Fertigungsprozesses intensiv genutzt“, erläutert Meyer. Die Kopplung von physikalischen Messungen, tiefgreifenden mikrostrukturellen Untersuchungen und Verständnis, Modellierung und genauer Prozessüberwachung sei der leistungsfähige Weg, um die höchsten Anforderungen zu erreichen, wie eine optimale Konstruktion und Materialauswahl, die beste Materialperformance und eine Prozesssteuerung für gleichbleibende Qualität.

Mit der Digitalisierung der gesamten Prozesskette vom Werkstoff zum Produkt,  mit dem Instrumentarium des maschinellen Lernens und Künstlicher Intelligenz lassen sich die Möglichkeiten in Forschung und Entwicklung erheblich erweitern. Meyer zeigte das Potential der Digitalisierung am Beispiel des Digitalen Zwillings auf. Prototypen digitaler Zwillinge sind bei Novelis bereits für einige Prozessschritte in der Erprobung, wie Meyer erläuterte. So beispielsweise beim Walzen, wo physikalische Messungen und Sensoren Realität und Modell verbinden, um den Prozess zu steuern. In der weiteren Entwicklung wird mit lernenden Algorithmen (Machine Learning) entlang des ganzen Fertigungsprozesses angestrebt, eine vollständige Vorhersage der Mikrostrukturen, geometrischen Merkmale und Eigenschaften des Produkts zu erhalten.

Schlussfolgernd hob Meyer hervor, dass die Werkzeuge der Künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens die zukünftige Legierungs- und Produktentwicklung bei Aluminium maßgeblich voranbringen werden.

 

Vorhersage von Gusseigenschaften vom Gießen bis zur Wärmebehandlung

Die Vorhersage von Gusseigenschaften vom Gießen bis zur Wärmebehandlung ist Aufgabe der Simulation. Ein weltweit führender Spezialist auf diesem Gebiet ist das Aachener Unternehmen MAGMA Gießereitechnologie. Im AMAP Projekt P9 wurden die Eigenschaftsvorhersage nach Wärmebehandlung genauer unter die Lupe genommen. Detaillierte Kenntnisse über den Wärmebehandlungsprozess von Aluminiumgussteilen haben das Potenzial, den Energieverbrauch bei der Wärmebehandlung zu senken, das Potenzial des Werkstoffs voll auszuschöpfen und die Wettbewerbsfähigkeit der Gussindustrie im Allgemeinen zu erhöhen, wie MAGMA-CEO Marc Schneider in seinem Vortrag „Predicting casting properties from casting through heat treatment“ resümierte. Ein bekanntes Beispiel aus der Praxis sind die hohen Anforderungen der Autohersteller an Aluminium-Motorblöcke.

Die Qualitäts – und Eigenschaftsentwicklungen einer Aluminiumlegierung hängen maßgeblich von den Vorgängen Auslagerung ab. Die Ziele im Projekt P9 sind die Vorhersage lokaler mechanischer Eigenschaften nach der Wärmebehandlung für Aluminium-Formguss. Das Projekt konzentriert sich auf die Änderung der Eigenschaften nach der Lösungsglühung und während der Auslagerung. Partner sind die Unternehmen Nemak und MAGMA zusammen mit dem Institut für Metallkunde und Materialphysik der RWTH Aachen.

Aufbauend auf den Erkenntnissen im Bereich der Gießereisimulation und Erstarrung hat AMAP P9 die offenen Fragen des Abschreckens und der Warmauslagerung im Wärmebehandlungsprozess aufgegriffen, wie Schneider darstellte. Das Modell behandelt die Ausscheidungen mit Keimbildung und Wachstum als diffusionskontrolliert Prozesse. Die treibende Kraft von allen Phasen mit der Abhängigkeit von der Temperatur und der lokalen Zusammensetzung wurde berechnet. Das Modell kalkuliert und liefert die Größe und Volumenanteil von allen Phasen nach jedem Zeitschritt. Die entsprechenden mechanischen Eigenschaften werden mit einem Ansatz von Ausscheidungshärtung berechnet.

Als Ergebnis kann Schneider festhalten:

-Ein Mehrkomponenten- und Mehrphasen-Ausscheidungsmodell wurde erfolgreich entwickelt, um den Aushärtungseffekt in Al-Si-Mg-Cu-Gusslegierungen zu simulieren

-Die Vorhersage der Gefügeentwicklung und der mechanischen Eigenschaften von industriell verarbeiteten Proben wurde durch verschiedene experimentelle Methoden validiert

-Die weitere Implementierung des physikalischen Ansatzes der Auflösungsbehandlung und des Abschreckungsprozesses ist im Gange, um die Entwicklung der Zusammensetzung vorherzusagen und die Simulationsleistung zu verbessern.

 

Simulation von Mikrostruktur und Streckspannung während natürlicher und künstlicher Alterung in Al-Mg-Si-Legierungen

Im AMAP Projekt P19 stand die Alterung von Aluminiumlegierungen des Al-Mg-Si Systems auf der Agenda. Diese Legierungen besitzen eine gute Kombination von Aushärtungs-, Umformbarkeits- und Korrosionseigenschaften, und können aufgrund ihrer niedrigen spezifischen Dichte hervorragend im Leichtbau, beispielsweise für die Herstellung von Automobilaußenhautbauteilen, eingesetzt werden, wie Fabrice Wagner vom IBF RWTH Aachen Universität im Vortag „Simulation of Microstructure and Yield Stress during Natural Aging and Artificial Aging in Al-Mg-Si Alloys“ darlegte.

In der industriellen Herstellungsprozesskette durchläuft ein Werkstück eine komplexe Abfolge von verschiedenen thermomechanischen Prozessschritten. Die Festigkeit dieser Al-Mg-Si Legierungen wird vom vorliegenden Ausscheidungszustand bestimmt, welcher maßgeblich von der Temperaturhistorie abhängt. Von zentraler Bedeutung ist hierbei der Prozess der Clusterbildung von Al-Mg-Si-Legierungen während der natürlichen Alterung und dessen Einfluss auf eine anschließende künstliche Alterung bei höheren Temperaturen.

Für den Zweck der Optimierung des industriellen Herstellungsprozesses bzgl. der gewünschten Anwendungseigenschaften wurde im Rahmen des AMAP Projekt 19 ein Simulationswerkzeug entwickelt, welches die Mikrostrukturentwicklung und die resultierende Streckgrenze während verschiedener Kalt- und Warmauslagerungsprozesse abbildet. Dazu musste das Simulationswerkzeug sowohl eine gute Vorhersagefähigkeit als auch kurze Berechnungszeiten und eine gute Benutzerfreundlichkeit für die industrielle Anwendung aufweisen. Ziel des Projektes war die Vorhersage von Mikrostruktur und Streckgrenze für den Zusammensetzungsbereich von AA6016 Aluminiumlegierungen nach komplexen Wärmebehandlungen, welche die Schritte Lösungsglühen Wärmebehandlung, natürliche Alterung und künstliche Alterung enthalten.

 

Wärmebehandlungsfreie HPDC AL-Legierung

Über neue Aluminiumlegierungen für Druckgussanwendungen berichtete Dmitriy Fokin vom Light Materials and Technologies Institute UC des russischen Aluminiumherstellers Rusal in seinem Vortrag „Heat Treatment free HPDC AL Alloy“. RUSAL hat eine Familie von wärmebehandlungsfreien Aluminiumlegierungen auf Basis des Al-Ca-Eutektikums entwickelt. Im Vortrag wurde demonstriert, dass Al-Ca-Legierungen als Alternative zu konventionellen Aluminiumgusslegierungen, einschließlich traditioneller Al-Si-Legierungen, betrachtet werden können. Eine Reihe von HPDC-Versuchen, die mit den neuen Ca-basierten Legierungen durchgeführt wurden, bestätigten deren gute Gießeigenschaften sowie eine ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit und gute mechanische Eigenschaften im Gusszustand. Im nächsten Schritt sollen die neuen Al-Ca-Legierungen bei der Herstellung von realen Autoteilen getestet werden.

 

Verständnis des Einflusses von Verformung auf interkristalline Korrosion von Al Mg Si Cu-Legierungen

Um ein grundlegendes Verständnis der interkristallinen Korrosion von 6000er Aluminium-Legierungen ging es im Vortrag „Understanding the effect of deformation on the intergranular corrosion of Al Mg Si Cu alloys“, der einen Auszug aus dem AMAP Folgeprojekt P22-UnICorn darstellt, vorgetragen von Roland Müller-Jena vom Lehrstuhl für Korrosion und Korrosionsschutz der RWTH Aachen University.

Inhaltlich befasst sich das Projekt P22 – UnICorn mit der Analyse des Verformungseinflusses auf die inter- und intrakristalline Ausscheidungsbildung von 6000er Aluminiumlegierungen und deren Korrelation zu interkristalliner Korrosion sowie den mechanischen Eigenschaften. Ein Schwerpunkt lag dabei auf höher auflösenden Mikrosturkturuntersuchungen, die zu einem besseren Mechanismenverständnis führen.

Aluminiumlegierungen der 6000er-Serie sind aufgrund ihrer relativen hohen Festigkeit, guten Umformbarkeit und guten Korrosionsbeständigkeit beispielsweise im automobilen Leichtbau weit verbreitet. Sie sind jedoch abhängig vom Legierungs-, Verformungs- und Wärmebehandlungszustand anfällig für interkristalline Korrosion. Schnell voranschreitend und schwer zu erkennen, beeinträchtigt interkristalline Korrosion erheblich die mechanischen Eigenschaften und ist daher höchst unerwünscht.

Die Frage „Wie wirkt sich der Verformungsgrad auf die interkristalline Korrosion aus?“ stand als Anfangsfrage im Raum. Hierzu gibt es die unterschiedlichsten Theorien, doch Aussagen über die Auswirkung der Verformung auf interkristalline Korrosion sind in der Literatur über mehrere Legierungssysteme und spezifische Verarbeitungsrouten verstreut, systematische Studien sind dagegen nur sehr begrenzt verfügbar, wie Müller-Jena betonte.

Im Rahmen der Untersuchungen von AMAP P22 UniCorn wurden die unterschiedlichsten Aspekte berücksichtigt, führte Müller-Jena weiter aus:

- Härte- und Korngrößenuntersuchungen in Abhängigkeit von der Legierung und der Wärmebehandlung

- Versuche zur interkristallinen Korrosion und Identifizierung der Korrosionsmechanismen

- Elektrochemische Prüfungen mittels zyklischer potentiodynamischer Polarisation

- Umfangreiche elektronenmikroskopische Gefügeanalysen

Die Ergebnisse der Untersuchungen führen zu folgender Schlussfolgerung über die Auswirkung der Verformung auf interkristalline Korrosion:

- Die Verformung führt zu einer Änderung der Mikrostruktur, wie z.B. einer Änderung der Ausscheidungsmorphologie an den Korngrenzen und somit der interkristallinen Korrosionsbeständigkeit.